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6 Liebe zeigen

Hallo und schön, dass Sie da sind!

Hier finden Sie bis Samstag unauffällige Gesten der Liebe, die man leicht übersieht. Es sind Gesten, mit denen Gott seine Liebe zeigt. Aber manches davon ist ganz anregend auch für unseren Umgang miteinander.

 

Dienstag, 28. April 2020

Gott näht 

Es ist nicht jedem Menschen gegeben, Liebe zu zeigen. Verliebte werden alleine plötzlich zu Dichtern und denken Worte, von denen sie gar nicht wussten, dass sie zu ihrem Wortschatz gehören. Aber wenn er oder sie dann vor ihnen steht, ist der ganze Kopf auf einmal leer und das Sprachzentrum versagt kläglich. Partner lieben einander noch immer, und trotzdem vergessen sie den Hochzeitstag oder wieviel Freude kleine Überraschungen machen können. Eltern würden sterben für ihre Kinder und schreien sie trotzdem ständig an. Das Leben ist manchmal krumm und schief.

Gott ist im Liebe-Zeigen ganz gut. Er ist sogar so geschickt, dass man die Zeichen seiner Liebe leicht übersehen kann. Dabei zeugen gerade seine kleinen Gesten von seiner wahren Größe. Die erste, um die es gehen soll, steht gleich im ersten Buch der Bibel, schon im dritten Kapitel. Gott hatte die ganze Welt erschaffen, mittendrin einen paradiesisch schönen Garten. Er hat sich die Menschen einfallen lassen, und schon gab es Probleme. Wie ein Vater hatte Gott seinen beiden geliebten Kindern Adam und Eva etwas verboten, um sie zu schützen. Alles, alles dürften sie essen, nur nicht die Früchte vom Baum der Erkenntnis und dem Baum des Lebens. Der Rest ist bekannt: Die Schlange belabert Eva, die kann nicht widerstehen und isst eine Frucht, verführt auch Adam dazu, beide schämen sich plötzlich für ihre Nacktheit, sie verstecken sich, Gott findet sie ohne suchen zu müssen und bestraft alle drei. Ich denke, der Rauswurf aus dem Paradies stand schon fest. Aber mitten in diesem ganzen Sumpf aus Gier, List, Misstrauen und Habenwollen gibt es eine unglaublich liebevolle Geste: „Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.“ (1. Mose 3,21) Irre. Gott muss genäht haben. Sonst hält das doch nicht. Tacker hatte noch nicht einmal der Allmächtige erfunden. Er hat auch nicht gesagt: „Ich hab euch dahinten was hingelegt, zieht euch mal was über!“ Nein. Die Vorstellung ist, dass er selbst die beiden ersten Menschen angezogen hat. Er hat in den Abgrund ihrer Herzen gesehen. Aber er lässt sie nicht gehen, ohne ihnen in ihrer Scham zu helfen. Das ist großartig.

So könnte das doch auch gehen, oder? Mutter zu ihrem Kind, denkt: Du hattest gerade einen Tobsuchtsanfall? Ich zieh dir deine Jacke an. – Er zu ihr, denkt: Nie ist sie pünktlich... Ich helf ihr in den Mantel. – Sohn oder Tochter zum alt gewordenen Elternteil, denkt: Du erkennst mich nicht mehr? Ich zieh dich an.

Das sind Schattensprünge, weil der eigene Schatten übersprungen werden muss. Aber mit solchen Liebestupfern werden der Alltag und die Welt schöner.

Ihre Pastorin Birte Wielage


Donnerstag, 30. April 2020

Gott schließt die Tür

Wieder nur Ärger. Die Menschheit hatte es sich auf Gottes Erdball gemütlich gemacht und sich eingelebt. Aber Gott musste mit ansehen, „dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war“ – und das auch noch andauernd. (1. Mose 6,5). Kaum vorstellbar, aber es wird berichtet, dass es dem liebenden Gott ernsthaft Leid tat, uns überhaupt erschaffen zu haben. Sein Empfinden war ähnlich tief wie die Bosheit der Menschen, denn „es bekümmerte ihn in seinem Herzen“ (1. Mose 6,6). In seinem – heiligen? – Zorn will er nichts mehr von ihnen sehen. Alle sollen sterben. Nur Noah nicht. Denn er und seine Familie hatten sich niemals etwas zuschulden kommen lassen. Auch in der neuen Lutherübersetzung wird dafür das altmodische aber schöne Wort „untadelig“  verwendet. Der Rest ist bekannt: Gott kündigt Noah die große Sintflut an, liefert ihm eine Bauanleitung für ein unfassbar großes Schiff, Noah wird zum Schiffbauer und baut die Arche, er wird zum Zoodirektor und sammelt Tierpaare ein. Der Regen setzt ein. Alle sind an Bord, Menschen und Tiere. Aber wer macht jetzt die Schotten dicht? Wenn die große Luke erstmal von außen geschlossen ist, müsste ja einer draußen bleiben... Eine erzählerische Lösung muss her. Die ist wieder eine der zärtlichen Gesten Gottes: „Der Herr schloss hinter ihm zu.“ (1. Mose 7,16) Das soll kaum anders vorstellbar sein, als dass die mächtige Hand des Schöpfers selbst aus dem Himmel nach unten greift. Gott hat sich dazu keiner Hilfsmittel bedient, eines Windstoßes oder so. Ganz sacht muss die Bewegung gewesen sein, damit nicht vom Rumms die Hühner aufflattern oder sich eins der Tiere den Schwanz einklemmt. Obwohl Gott doch mit einem großen Knall alles vernichten will.

Mir gelingt es einfach nicht, Gott für Sintflut verantwortlich zu machen – und deswegen sein Handeln in Frage zu stellen. Wenn er doch alles gut geschaffen hat, ist der Mensch doch selbst schuld, wenn dem Allmächtigen ob seiner Bosheit der Kragen platzt, oder? Ich finde diesen zornigen Gott sehr menschlich.

Gleichzeitig sehe ich im eigenhändigen Schließen der Tür einen großen Akt der Gnade. Wenn unsereins zornig ist, dann knallt schon mal eine Tür. Kurzfristig sorgt das für Aggressionsabbau, auch wenn die Tür nichts dafür kann. Noch mehr und ohne Worte, dafür umso lauter, sagt die verschlossene Tür aber: Ich will dich nicht mehr sehen. Etwas soll zwischen uns sein.

Wieviel schöner wäre es, wenn wir auch im Streit die Türen ganz sacht schließen würden. Nicht, um ein Hindernis zwischen zwei Menschen aufzubauen. Sondern um Pause vom Zorn zu machen und lieber dem Streit gnädig etwas entgegen zu setzen. Damit nach der (Tränen)Flut am Ende ein neuer Regenbogen leuchten kann.

Mit Blick auf blauen Himmel grüßt Ihre Pastorin Birte Wielage


Freitag, 1. Mai 2020

Gott macht Pause

Es läuft doch Vieles auf den Anfang hinaus. Wenn wir uns in einer Sache unsicher sind, dann hilft manchmal der Blick darauf, wie alles begann. Gab es vielleicht schon ganz früh so ein komisches Bauchgefühl? Manchmal kann das auch rückblickend noch ein Wegweiser sein. Oder ist umgekehrt etwas in eine Schieflage geraten, obwohl alles gut begonnen hat? Dann ist Aufgeben vielleicht gar nicht nötig.

Unser Blick fällt heute noch einmal auf die Geschichte, mit der alles begann. Dieses Mal ist es weniger eine Geste, sondern eine Grundeinstellung. Es geht um die Grundeinstellung Gottes zu dem, was er selbst im größten denkbaren Akt an Kreativität getan hat

In der ersten Geschichte der Bibel wird berichtet, dass Gott in nur sechs Tagen die ganze Welt erschaffen hat. Dieser Schöpfungsbericht steht noch nicht einmal im Widerspruch zu den Naturwissenschaften. Er bringt aus der Sicht des Glaubens alles nur anders auf den Punkt. Ich will auf den siebten Tag hinaus: „Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.“ (1. Mose 2,2). Gott macht Pause. Sollte ihm etwa die Puste ausgegangen sein? Ihm, der vermutlich auch einfach drei Welten oder hundert hätte erschaffen können, wenn ihm danach gewesen wäre? Nein, er hält Maß. Er scheint eigene Grenzen zu kennen. Das Ausruhen ist ihm so wichtig, dass er diesen Ruhetag sogar segnet und heiligt.

Dieser Tag ist ihm so heilig, dass er ihn auch den Menschen zugesteht, sogar gebietet! Das dritte Gebot wird mit dieser Pause begründet: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun [...] Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage.“ (2. Mose 20,8-11) Gott ruht nicht nur aus, er lässt auch ausruhen.

Nun ist im Augenblick so Vieles unfreiwillig zur Ruhe gekommen. Für Manche ist der verordnete Stillstand bedrohlich, weil mit dem Gehalt die Lebensgrundlage wegbricht. Dennoch glaube ich, dass auch jetzt, wie sonst auch, die Pause ein Dienst der Liebe ist. Pause machen bedeutet Selbstachtung und das Eingeständnis, nicht ununterbrochen funktionieren zu können. Ein Tag in der Woche soll erkennbar anders sein als die anderen sechs. Ich mache Pause von mir selbst und meinem Handeln. Damit gönne ich auch den Anderen eine Pause von meiner Aktivität. Das ist auch jetzt ein guter Rat.

Normalerweise ist es das Wesen der Pause, dass sie unauffällig ist – wenn sie denn mit Nichtstun gefüllt ist. Aber wie so oft ist im Unauffälligen etwas Großes verborgen. In diesem Fall die Achtung vor mir selbst und den Menschen um mich herum.

Einen schönen 1. Mai wünscht Ihre Pastorin Birte Wielage


Samstag, 1. Mai 2020

Zwei Finger (Für meinen Bruder)

Es war einmal ein kleiner Junge. Er war ein lieber Kerl, aber wie alle kleinen Jungs hatte er manchmal Flausen im Kopf. Manchmal probierte er Sachen aus und hoffte, dass es keiner merkt. Kleine Jungs wissen eben noch nicht so genau, was die Erwachsenen alles mitbekommen. Und seine Mutter. Die konnte, je nachdem, manchmal ziemlich sauer werden. Normalerweise redete sie ihn dann mit seinem Vornamen und seinem Nachnamen an. Dann war es ernst.

Eines Tages hatte er den Bogen wohl überspannt. Diesmal reichte das mit dem Nachnamen nicht. Diesmal sollte er doch mal lieber kurz vor die Tür gehen. Er wehrte sich nicht dagegen. Er wusste genau, wann die Stunde geschlagen hat und das nichts mehr nützt. Also schlich er sich vor die Tür. Und wartete.

Was macht ein Vier- oder Fünfjähriger, der noch nicht von einer „gerechten Strafe“ sprechen würde, der aber merkt, dass Mama Recht hat? Wahrscheinlich stellt er sich vor, dass sie jetzt ganz traurig ist. Das will er nicht. Er will, dass alles wieder gut ist. Dazu muss er irgendwie wieder rein. Aber wenn Mama dann immer noch böse auf ihn ist? Und er doch noch nicht reinkommen darf? Da hat er eine Idee. Er würde ausprobieren, wie es ist, wenn er noch nicht ganz reinkommt. Sondern nur ein bisschen.

Die Tür steht einen Spalt offen. Er nimmt etwas Mut zusammen. Dann nimmt er zwei Finger. Er steckt sie durch die Tür, so, als wollte er mit den Fingerspitzen mal fühlen, wie die Luft da drinnen ist. Er sagt, nicht zu laut und nicht zu leise, etwas fragend: „Zwei Finger kommen.“ Und wartet ab.

Aber nur einen kleinen, atemlosen Moment. Denn natürlich darf er wieder reinkommen. Natürlich ist alles wieder gut. Dieses Friedensangebot ist unwiderstehlich.

Es ist nicht willkürliche Strenge, sondern Liebe, wenn Eltern ihren Kindern Grenzen aufzeigen. Es braucht das ganze Einfühlungsvermögen und die ganze Kreativität eines kleinen Jungen, der seine Mutter liebt, um sich so eine rührende Geste auszudenken.

Wäre das nicht schön, wenn diese Zwei-Finger-Diplomatie auch auf internationalem Parkett funktionieren würde? Ich stelle mir vor, dass Staatschefs erst einmal mit Fingerspitzengefühl testen, wie die Luft ist, ehe sie den Militärapparat in Gang setzen. Dass einer zwei Finger ausstreckt und der andere die ganze Hand zum versöhnenden Handschlag nimmt.

Das bleibt wohl ein schöner Traum. Dazu bleibt die Feststellung, dass kleine Jungs die klügeren Politiker sind.

Ihre Pastorin Birte Wielage

P.S.: Der kleine Junge hatte mit den zwei Fingern dann übrigens noch öfters Erfolg.